150 Ein Platz zum Warten

Aus Pattern Language Wiki

EIN PLATZ ZUM WARTEN
EIN PLATZ ZUM WARTEN


... jedem Büro, in jeder Werkstatt, in öffentlichen Ämtern, Bahnhöfen oder Kliniken, wo Menschen warten müssen - UMSTEIGESTELLE (34), GESUNDHEITSZENTRUM (47), KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81), VERBINDUNG ZWISCHEN BÜROS (82) -, ist ein spezieller Platz zum Warten wichtig, und noch wichtiger ist, dass dieser Platz nicht die abstoßende, beklemmende Ausstrahlung der üblichen Wartezimmer hat, in denen die Zeit nicht vergehen will.


❖ ❖ ❖


Der Vorgang des Wartens birgt Konflikte in sich.


Auf der einen Seite ist alles, worauf Menschen warten - der Arzt, ein Flugzeug, eine geschäftliche Verabredung -, mit Ungewissheiten verbunden, sodass sie gezwungenermaßen eine Zeitlang herumstehen, warten und nichts tun.


Andererseits können sie diese Wartezeit gewöhnlich nicht genießen. Ihre Dauer ist nicht vorhersagbar, also müssen sie in unmittelbarer Nähe der Tür bleiben. Da sie nie genau wissen, wann sie drankommen, können sie nicht einmal einen kleinen Spaziergang machen oder sich draußen hinsetzen. Sie müssen in der Enge des Wartezimmers bleiben und warten, bis sie dran sind. Aber das ist natürlich eine äußerst zermürbende Angelegenheit: Niemand steht gern auf Abruf bereit. Kafkas bedeutendste Werke, Das Schloss und Der Prozess handeln beide fast ausschließlich davon, wie diese Art von Atmosphäre einen Menschen zerstören kann.


Das klassische „Wartezimmer" trägt nichts zur Lösung dieses Problems bei. Ein enges, düsteres, kleines Zimmer, in dem die Leute einander anstarren, nervöse Unruhe, ein oder zwei Zeitschriften zum Durchblättern - das ist genau die Situation, die zur Schaffung des Konflikts beiträgt. Nachweise für die nervtötende Wirkung dieser Situation liefert Scott Briar (Welfare From Below: Recipients' Views of the Public Welfare System", in jacobus Tenbroek, Hrsg., The Law and the Poor, San Francisco: Chandler Publishing Company, 1966, 5.52). Wir wissen alle, daß die Zeit langsämer zu vergehen scheint, wenn wir uns langweilen oder besorgt oder unruhig sind. Briar stellte fest, dass Wartende in Wohlfahrtsämtern immer glaubten, länger gewartet zu haben, als es tatsächlich der Fall war. Manche dachten sogar, viermal so lang gewartet zu haben.


Das grundlegende Problem ist demnach folgendes: Wie können Menschen die Wartezeit sinnvoll verbringen - die Minuten oder Stunden des Wartens ebenso voll erleben wie die restlichen Stunden des Tages - und trotzdem zur Stelle sein' wenn der Moment oder die Person, auf den oder die man gewartet hat, kommt?


Man erreicht das am besten, indem man das Warten mit einer anderen Tätigkeit verbindet: einer Aktivität, die ändere Leute miteinschließt, die im Grunde gar nicht zum Warten dort sind einem Café, Billardtischen, Tischen, einem Lesezimmer, .Wobei die Aktivitäten und Sitzgelegenheiten so nähe sind, dass man hört, wenn der Geschäftspartner (oder das Flugzeug oder was  auch immer) bereitsteht. In der Kinderklinik im San Francisco General Hospital hat man beispielsweise neben dem Eingang einen kleinen Spielplatz gebaut, der sowohl den wartenden Kindern als auch den Kindern aus der Nachbarschaft als Spielfläche dient.


Wartezimmer in der Kinderklinik.
Wartezimmer in der Kinderklinik.
Wartezimmer in der Kinderklinik.


In einem anderen uns bekannten Beispiel wurde entlang einer Terrasse, wo die Leute auf ihren Termin warteten, ein Platz zum Hufeisenwerfen eingerichtet. Die Wartenden begannen unweigerlich Hufeisenwerfen zu spielen, andere beteiligten sich, andere wieder hörten auf, wenn sie aufgerufen wurden - so ergab sich ein angenehmer Übergang vom Hufeisenwurfplatz zur Terrasse und weiter zu den Büros.


Warten kann aber auch die Situation hervorrufen, dass jemand plötzlich über freie Zeit verfügt und die Umgebung ihn unterstützt, in sich zu gehen und ein paar Minuten der Ruhe und des Nachdenkens zu genießen — also ganz das Gegenteil der oben beschriebenen Aktivitäten.


Die richtige Atmosphäre ergibt sich ganz von allein, wenn der Wartebereich einige ruhige, geschützte Plätze hat, die nicht das beklemmende Gefühl des Wartens hervorrufen. Einige Beispiele: eine Sitzgelegenheit in der Nähe einer Bushaltestelle, unter einem Baum, von der Straße abgeschirmt; ein Fenstersitz, von dem aus das Treiben auf der Straße beobachtet werden kann; ein geschützter Sitzplatz in einem Garten, eine Schaukel oder eine Hängematte; ein dunkler Platz und ein Glas Bier, weit genug von Durchgängen entfernt, damit man nicht immer aufschaut, wenn jemand kommt oder geht; ein ruhiger Platz an einem Fischteich.


Zusammenfassend gilt also, dass wartende Menschen die Möglichkeit haben sollten, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Wenn sie vor der Tür des Beamten warten wollen, können sie das tun. Wenn sie aufstehen, einen kleinen Spaziergang machen oder etwas spielen möchten, gern einen Kaffee hätten oder andere Leute beobachten wollen, können sie das tun. Wenn sie irgendwo allein sitzen und tagträumen möchten, können sie das tun. Und all das ohne Angst, den Platz in der Warteschlange zu verlieren.


Ruhiges Warten.
Ruhiges Warten.
Ruhiges Warten.


Daraus folgt:


Schaff an Stellen, wo oft Leute warten (auf einen Bus, auf einen Termin, auf ein Flugzeug), eine Atmosphäre, die aus dem Warten etwas Positives macht. Kopple das Warten mit einer anderen Aktivität — Zeitungen, Kaffee, Billardtische, Wurfspiele; etwas, das Leute miteinschließt, die nicht nur zum Warten dort sind. Und auch das Gegenteil: schaff einen Platz, der einen Wartenden zum Tagträumen anregt; ruhig; wirkliche Stille.


Illustration aus „A Pattern Language“
Illustration aus „A Pattern Language“


❖ ❖ ❖


Der aktive Teil könnte ein Fenster zur Straße haben - STRASSENFENSTER (164), PLATZ AM FENSTER (180) -, ein Café - STRASSENCAFÉ (88) -, Spiele, wirkliche Miteinbeziehung der Passanten - ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165). Der ruhige Teil könnte mit einem ruhigen Sitzplatz im Garten ausgestattet sein - SITZPLATZ IM GARTEN (176) -, mit einem Platz zum Dösen - SCHLAFEN IN DER ÖFFENTLICHKEIT (94) -, vielleicht mit einem Fischteich - STEHENDES WASSER (71). Insofern der Wartebereich ein Raum oder eine Gruppe von Räumen ist, wird seine genaue Form durch LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) und DIE FORM DES INNENRAUMS (191) bestimmt.

Muster: Gebäude


95. GEBÄUDEKOMPLEX

96. ANZAHL DER STOCKWERKE

97. ABGESCHIRMTES PARKEN

98. ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE

99. HAUPTGEBÄUDE

100. FUSSGÄNGERSTRASSE

101. PASSAGE DURCHS GEBÄUDE

102. FAMILIE VON EINGÄNGEN

103. KLEINE PARKPLÄTZE

104. VERBESSERUNG DES BAUPLATZES

105. AUSSENRAUM NACH SÜDEN

106. POSITIVER AUSSENRAUM

107. GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT

108. ZUSAMMENHÄNGENDE GEBÄUDE

109. LANGES SCHMALES HAUS

110. HAUPTEINGANG

111. HALBVERSTECKTER GARTEN

112. ZONE VOR DEM EINGANG

113. VERBINDUNG ZUM AUTO

114. HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN

115. BELEBTE INNENHÖFE

116. DACHKASKADE

117. SCHÜTZENDES DACH

118. DACHGARTEN

119. ARKADEN

120. WEGE UND ZIELE

121. DIE FORM VON WEGEN

122. GEBÄUDEFRONTEN

123. FUSSGÄNGERDICHTE

124. AKTIVTÄTSNISCHEN

125. SITZSTUFEN

126. ETWAS FAST IN DER MITTE

127. STUFEN DER INTIMITÄT

128. SONNENLICHT IM INNEREN

129. GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE

130. DER EINGANGSRAUM

131. VON RAUM ZU RAUM

132. KURZE VERBINDUNGSGÄNGE

133. DIE STIEGE ALS BÜHNE

134. DIE AUSSICHT DES MÖNCHS

135. WECHSEL VON HELL UND DUNKEL

136. BEREICH DES PAARS

137. BEREICH DER KINDER

138. SCHLAFEN NACH OSTEN

139. WOHNKÜCHE

140. PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE

141. DAS EIGENE ZIMMER

142. MEHRERE SITZPLÄTZE

143. GRUPPE VON BETTEN

144. BADERAUM

145. ABSTELLRAUM

146. FLEXIBLE BÜROFLÄCHE

147. GEMEINSAMES ESSEN

148. KLEINE ARBEITSGRUPPEN

149. ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG

150. EIN PLATZ ZUM WARTEN

151. KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER

152. HALBPRIVATES BÜRO

153. VERMIETBARE RÄUME

154. HÄUSCHEN FÜR TEENAGER

155. HÄUSCHEN FÜR ALTE

156. ERFÜLLTE ARBEIT

157. WERKSTATT IM HAUS

158. OFFENE TREPPEN

159. LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM

160. DIE GEBÄUDEKANTE

161. SONNIGE STELLE

162. ABGESTUFTE NORDFRONT

163. ZIMMER IM FREIEN

164. STRASSENFENSTER

165. ÖFFNUNG ZUR STRASSE

166. DIE GALERIE RUNDHERUM

167. ZWEI-METER-BALKON

168. VERBINDUNG ZUM BODEN

169. TERRASSIERTER HANG

170. OBSTBÄUME

171. PLÄTZE UNTER BÄUMEN

172. WILDWACHSENDER GARTEN

173. GARTENMAUER

174. LAUBENWEG

175. GLASHAUS

176. SITZPLATZ IM GARTEN

177. GEMÜSEGARTEN

178. KOMPOST

179. NISCHEN

180. PLATZ AM FENSTER

181. DAS FEUER

182. ATMOSPHÄRE BEIM ESSEN

183. ABGRENZUG DES ARBEITSPLATZES

184. DER KOCHPLATZ

185. RUNDER SITZPLATZ

186. GEMEINSAMES SCHLAFEN

187. EHEBETT

188. BETTNISCHE

189. ANKLEIDEZIMMER

190. VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN

191. FORM DES INNENRAUMS

192. FENSTER MIT BLICK AUF DIE AUSSENWELT

193. DURCHBROCHENE WAND

194. FENSTER IM INNERN

195. ANLEGEN DER STIEGE

196. TÜREN IN DEN ECKEN

197. DICKE WÄNDE

198. SCHRÄNKE ZWISCHEN RÄUMEN

199. SONNIGE ARBEITSFLÄCHE

200. OFFENE REGALE

201. BORD IN HÜFTHÖHE

202. EINGEBAUTE SITZBANK

203. HÖHLEN FÜR KINDER

204. GEHEIMFACH